Die große Flut 1962
137 Jahre lang glaubten die Menschen der Elbmarschen, hinter ihren hohen Deichen sicher vor der Wasserflut zu sein. Das glaubte auch die Bevölkerung von Neuenfelde.
In einer unvergessenen Winternacht des Jahres 1825 war hier zuletzt der Deich gebrochen. 55 Menschen kamen dabei ums Leben. Sie hatten den Weg zur höhergelegenen Kirche nicht mehr gefunden, die Jahrhunderte lang die Fluchtburg in Wassersnot gewesen war. Die Nacht zum 17. Februar 1962 machte der trügerischen Sicherheit hinter den Elbdeichen ein schreckliches Ende. Schon am Vortag, mittags, war ein schwerer Orkan ausgebrochen, der aus nord-westlicher Richtung die tobenden Fluten der Nordsee direkt in die Elbmündung drückte und den Strom in bisher nicht gekannte Höhe anschwellen ließ, so daß an vielen Stellen die Deiche brachen oder überspült wurden. Die grauen Wassermassen ergossen sich schäumend ins schutzlose Hinterland und überraschten die Menschen an Orten, wo man nie im Leben mit einem Flutaufkommen gerechnet hatte.
Bereits abends, zu einem Zeitpunkt, da die Flut noch längst nicht den höchsten Stand erreicht hatte, wussten die Deichgeschworenen schon, dass sich hier eine Katastrophe größten Ausmaßes anbahnen würde. Die Warnsirenen heulten mit dem Sturm um die Wette, und die Menschen auf den Straßen schrien es sich zu: „höchste Gefahr!“ Dennoch gab es viele Unbelehrbare, die ungläubig alle Warnungen in den Wind schlugen, nach dem Motto: Was soll uns schon passieren? Ältere und erfahrene Neuenfelder Bürger spürten aber sehr schnell, dass sich hier ein Unheil zusammenbraute, vor dem man sich schützen musste. Sie flüchteten, während das Wasser bereits in Sturzbächen über die Deichkrone flutete; aber sie fanden dennoch den einzigen Fluchtweg, der sie zur alten Backsteinkirche auf die höchste Wurt des Dorfes führte. Als das Wasser den höchsten Stand erreichte, hatten 200 Menschen mit Vieh und Hausrat in dem festen Gotteshaus Rettung vor den tobenden Elementen und vor Tod und Verderben gefunden.
Zur selben Zeit hatten sich aber in unmittelbarer Nähe der Kirche schreckliche Szenen abgespielt. Im Rosengarten, wo der Vordeich an mehreren Stellen gebrochen war und die Wassermassen mehrere Menschen mit in den Tod gerissen hatten. Auch in der Hasselwerder Straße, in Höhe des Neuenfelder Friedhofes, war der Deich gebrochen. Von dem Haus, das an dieser Stelle gestanden hatte, war kein Stein mehr übriggeblieben. Zum Glück hatten die in dem Gebäude ansässigen Bewohner sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Katastrophale Zustände erlebte die Bevölkerung im 3 km entfernten Nachbarort Rübke. Kein Mensch hatte hier jemals mit einer Flutgefahr gerechnet, und doch war das Wasser hier gleich von zwei Seiten in den Ort eingedrungen. Sowohl von Neuenfelde, als auch von Estebrügge hieß es „Land unter“, so dass Rübke bis in Dachhöhe überflutet war.
An manchen Stellen im Neuenfelder Raum spitzten sich die Ereignisse in einem nie gekannten Ausmaß und nicht für möglich gehaltener Dramatik zu. Der Neuenfelder Ortspolizist, selbst Vater von drei Kindern, wurde Augenzeuge, als in der Nähe verzweifelte Menschen auf dem Dach ihres zerstörten Hauses in Not gerieten. Sein spontaner Entschluss stand fest: Die müssen wir rausholen! In aller Eile zimmerte er aus Tischen und herumliegenden Brettern ein provisorisches Floß zusammen, entledigte sich seiner Uniform und schwamm mit dem Floß hundert Meter durch das eisige Wasser, bis an das zerstörte Haus heran. Halberfroren erreichten die in Not geratenen das Floß und - was noch wichtiger war - mit Hilfe des tapferen Polizisten, das trockene Land. Wen wundert es, dass unmittelbar danach der Retter erschöpft zusammenbrach. Aber auch er fand sofort Helfer, die sich seiner fürsorglich annahmen. So reihte sich in jener Nacht eine Heldentat an die andere.
Verheerend war die Bilanz der Flutschäden. Allein zwischen Francop und Neuenfelde wurden 94 Deichbrüche festgestellt. Drei Höfe wurden total zerstört. Von 144 000 Zentnern des gelagerten Obstes wurden 74 000 Zentner verdorben. Aber auch die Bäume in den Obstplantagen trugen schwere Schäden davon. Nicht weniger als 20% aller Junganlagen wurden als Verlust gemeldet. Besonders hart war die Vernichtung des Viehbestandes, erschreckend aber war die Tatsache, dass Neuenfelde abschließend 13 Todesopfer zu beklagen hatte. Dennoch war es nicht Altländer Art, zu klagen und zu jammern. Kaum war die Flut einigermaßen abgeflossen, begann überall das große Aufräumen und Wiederaufbauen. Wie sooft, war man auch nach diesem Schaden klüger geworden. Vor allem im Deich- und Schleusenbau hatte man wichtige Erkenntnisse gewonnen.
Die eingerissenen Deichlücken waren schnell wieder ausgefüllt, neue und höhere Deiche entstanden. Finkenwerder war fortan keine Insel mehr; denn durch Eindämmung der Süderelbe entstand eine Deich- und Straßenverbindung. Auch die Estemündung erhielt ein großangelegtes Sperrwerk, das nunmehr die Ortschaften Neuenfelde und Cranz/Leeswig miteinander verband.
Inzwischen sind seit der denkwürdigen Flutnacht mehr als 40 Jahre vergangen. Eine neue Generation ist herangewachsen, die von diesem Ereignis nur vom „Hörensagen“ weiß und sich die Folgen einer solchen Naturkatastrophe kaum ausmalen kann. Wen wundert es also, wenn sich heute viele Menschen hinter den Deichen wieder sicher wähnen und Mahnungen älterer Leute mit einem Lächeln abtun?
Es ist nur zu wünschen, dass der Deichbau und alle weiteren Sicherheitsvorkehrungen Bestand behalten, damit die Urgewalten der Natur uns eines Tages nicht noch einmal wieder lehren, wie erbärmlich und machtlos wir Menschen doch sind! Der erste Deichbruch auf Hamburger Gebiet war in Neuenfelde
In einer unvergessenen Winternacht des Jahres 1825 war hier zuletzt der Deich gebrochen. 55 Menschen kamen dabei ums Leben. Sie hatten den Weg zur höhergelegenen Kirche nicht mehr gefunden, die Jahrhunderte lang die Fluchtburg in Wassersnot gewesen war. Die Nacht zum 17. Februar 1962 machte der trügerischen Sicherheit hinter den Elbdeichen ein schreckliches Ende. Schon am Vortag, mittags, war ein schwerer Orkan ausgebrochen, der aus nord-westlicher Richtung die tobenden Fluten der Nordsee direkt in die Elbmündung drückte und den Strom in bisher nicht gekannte Höhe anschwellen ließ, so daß an vielen Stellen die Deiche brachen oder überspült wurden. Die grauen Wassermassen ergossen sich schäumend ins schutzlose Hinterland und überraschten die Menschen an Orten, wo man nie im Leben mit einem Flutaufkommen gerechnet hatte.
Bereits abends, zu einem Zeitpunkt, da die Flut noch längst nicht den höchsten Stand erreicht hatte, wussten die Deichgeschworenen schon, dass sich hier eine Katastrophe größten Ausmaßes anbahnen würde. Die Warnsirenen heulten mit dem Sturm um die Wette, und die Menschen auf den Straßen schrien es sich zu: „höchste Gefahr!“ Dennoch gab es viele Unbelehrbare, die ungläubig alle Warnungen in den Wind schlugen, nach dem Motto: Was soll uns schon passieren? Ältere und erfahrene Neuenfelder Bürger spürten aber sehr schnell, dass sich hier ein Unheil zusammenbraute, vor dem man sich schützen musste. Sie flüchteten, während das Wasser bereits in Sturzbächen über die Deichkrone flutete; aber sie fanden dennoch den einzigen Fluchtweg, der sie zur alten Backsteinkirche auf die höchste Wurt des Dorfes führte. Als das Wasser den höchsten Stand erreichte, hatten 200 Menschen mit Vieh und Hausrat in dem festen Gotteshaus Rettung vor den tobenden Elementen und vor Tod und Verderben gefunden.
Zur selben Zeit hatten sich aber in unmittelbarer Nähe der Kirche schreckliche Szenen abgespielt. Im Rosengarten, wo der Vordeich an mehreren Stellen gebrochen war und die Wassermassen mehrere Menschen mit in den Tod gerissen hatten. Auch in der Hasselwerder Straße, in Höhe des Neuenfelder Friedhofes, war der Deich gebrochen. Von dem Haus, das an dieser Stelle gestanden hatte, war kein Stein mehr übriggeblieben. Zum Glück hatten die in dem Gebäude ansässigen Bewohner sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Katastrophale Zustände erlebte die Bevölkerung im 3 km entfernten Nachbarort Rübke. Kein Mensch hatte hier jemals mit einer Flutgefahr gerechnet, und doch war das Wasser hier gleich von zwei Seiten in den Ort eingedrungen. Sowohl von Neuenfelde, als auch von Estebrügge hieß es „Land unter“, so dass Rübke bis in Dachhöhe überflutet war.
An manchen Stellen im Neuenfelder Raum spitzten sich die Ereignisse in einem nie gekannten Ausmaß und nicht für möglich gehaltener Dramatik zu. Der Neuenfelder Ortspolizist, selbst Vater von drei Kindern, wurde Augenzeuge, als in der Nähe verzweifelte Menschen auf dem Dach ihres zerstörten Hauses in Not gerieten. Sein spontaner Entschluss stand fest: Die müssen wir rausholen! In aller Eile zimmerte er aus Tischen und herumliegenden Brettern ein provisorisches Floß zusammen, entledigte sich seiner Uniform und schwamm mit dem Floß hundert Meter durch das eisige Wasser, bis an das zerstörte Haus heran. Halberfroren erreichten die in Not geratenen das Floß und - was noch wichtiger war - mit Hilfe des tapferen Polizisten, das trockene Land. Wen wundert es, dass unmittelbar danach der Retter erschöpft zusammenbrach. Aber auch er fand sofort Helfer, die sich seiner fürsorglich annahmen. So reihte sich in jener Nacht eine Heldentat an die andere.
Verheerend war die Bilanz der Flutschäden. Allein zwischen Francop und Neuenfelde wurden 94 Deichbrüche festgestellt. Drei Höfe wurden total zerstört. Von 144 000 Zentnern des gelagerten Obstes wurden 74 000 Zentner verdorben. Aber auch die Bäume in den Obstplantagen trugen schwere Schäden davon. Nicht weniger als 20% aller Junganlagen wurden als Verlust gemeldet. Besonders hart war die Vernichtung des Viehbestandes, erschreckend aber war die Tatsache, dass Neuenfelde abschließend 13 Todesopfer zu beklagen hatte. Dennoch war es nicht Altländer Art, zu klagen und zu jammern. Kaum war die Flut einigermaßen abgeflossen, begann überall das große Aufräumen und Wiederaufbauen. Wie sooft, war man auch nach diesem Schaden klüger geworden. Vor allem im Deich- und Schleusenbau hatte man wichtige Erkenntnisse gewonnen.
Die eingerissenen Deichlücken waren schnell wieder ausgefüllt, neue und höhere Deiche entstanden. Finkenwerder war fortan keine Insel mehr; denn durch Eindämmung der Süderelbe entstand eine Deich- und Straßenverbindung. Auch die Estemündung erhielt ein großangelegtes Sperrwerk, das nunmehr die Ortschaften Neuenfelde und Cranz/Leeswig miteinander verband.
Inzwischen sind seit der denkwürdigen Flutnacht mehr als 40 Jahre vergangen. Eine neue Generation ist herangewachsen, die von diesem Ereignis nur vom „Hörensagen“ weiß und sich die Folgen einer solchen Naturkatastrophe kaum ausmalen kann. Wen wundert es also, wenn sich heute viele Menschen hinter den Deichen wieder sicher wähnen und Mahnungen älterer Leute mit einem Lächeln abtun?
Es ist nur zu wünschen, dass der Deichbau und alle weiteren Sicherheitsvorkehrungen Bestand behalten, damit die Urgewalten der Natur uns eines Tages nicht noch einmal wieder lehren, wie erbärmlich und machtlos wir Menschen doch sind! Der erste Deichbruch auf Hamburger Gebiet war in Neuenfelde